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Lesung und Talk zu lesbischer Sichtbarkeit

Foto mit Wirtschaftsweiber-Vorständin Steffi Grimm und Autorin Stephanie Kuhnen in Berlin am 25.04.2019

Lesung und Talk zu lesbischer Sichtbarkeit

  • Berlin

Stephanie Kuhnen stellte ihr Buch „Lesben raus! Für mehr lesbische Sichtbarkeit“ am 25. April 2019 bei den Wirtschaftsweibern vor. 28 Autor*innen entwerfen ganz unterschiedliche Perspektiven zum Thema in dem Sammelband, aus dem Kuhnen las. Der Band erschien im Oktober 2017 im Querverlag und ist ein „Plädoyer für die Sichtbarkeit von Lesben in Gesellschaft und Community“. Reichlich Stoff für den anschließendem Talk zwischen Wirtschaftsweiber-Vorständin Steffi Grimm, der Herausgeberin und dem geneigten Publikum.

Das Ringen um lesbische Sichtbarkeit, so stellte Herausgeberin Stephanie Kuhnen heraus, ist nichts Neues. Seit 1904 kämpfen Aktivist*innen und Engagierte darum, lesbische Frauen in der Gesellschaft als “Lesben” sichtbar zu machen. Viele Jahre später, in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts, führte der Itzehoe-Prozess um ein lesbisches Mörderinnenpaar hingegen zu unliebsamer Medienaufmerksamkeit. Lesben wurden in der Folge pauschal als tückisch und männermordernd dämonisiert. Ein Initial für viele Lesben und Frauen, gegen die Pathologisierung von lesbischen Frauen aufzubegehren, sich vielfältig zu zeigen und damit die Darstellung von lesbischem Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Die Nichtsichtbarkeit von Lesben, so Kuhnen, war oftmals auch nicht bloße Unaufmerksamkeit. Das Unsichtbarmachen von Lesben in Geschichte und Gesellschaft wurde aktiv und mühevoll aus verschiedensten Gründen betrieben. Beispielsweise würde in der Kunstwelt darauf geachtet, dass bestimmte bildende Künstlerinnnen und Malerinnen der Moderne des 20. Jahrhunderts keinesfalls offiziell als lesbisch gelten, damit der Verleihwert ihrer Exponate nicht geschmälert werde. Sie verwies außerdem auf die unrühmlichen Kämpfe um das verwehrte offizielle Gedenken an die durch die Nationalsozialisten verfolgten lesbischen Frauen.

Heute steht weniger die Frage “Wo sind sie denn überhaupt, die lesbischen Frauen?” im Vordergrund, sondern welche Art der Sichtbarkeit gefragt ist. Kuhnen berichtete aus ihrer Zeit bei der Zeitschrift L-Mag, dass Medienkolleg*innen dort gerne anfragten, um sich Lesben für Interviews “zu bestellen”. Dabei hätten bestimmte Features auf dem “Einkaufszettel” der Zeitungen und TV-/Radiosender gestanden: Man benötige eine Lesbe, die nicht klischeehaft sei, eher bürgerlich, gerne etwas feminin oder multikulti, vielleicht auch mit Kindern – eben “ganz normal lebend”. Das zeigt, dass erhöhte Sichtbarkeit dazu dient, zur Normalisierung beizutragen. Welche Lesben zwar nicht mehr pathologisiert, aber wiederum ein breiteres, vielfältiges, in sich diverses lesbisches Leben unsichtbar macht.

Die interessierten Besucherinnen diskutierten angeregt mit Kuhnen über Sichtbarkeiten – im Plural – von Lesben. So unterschiedlich wie lesbische Frauen sind, so vielfältig sind auch deren Konzepte und Lebensweisen, die letztlich dann auch gesellschaftlich wahrnehmbar sein sollten. Es gibt nach wie vor, und vielleicht auch vermehrt Frauen, die sich nicht (mehr) als “Lesbe” bezeichnen wollen. Somit bleibt die Frage ungelöst, was genau denn nun eine Lesbe überhaupt sei, und wie “Wir” heute noch an einem Strang ziehen können. Es bleibt kompliziert, wenn frau nicht lesbisch gegen queer ausspielen möchte, weder herkömmliche Identitätspolitik retten noch umgekehrt Identitäten vollständig ins nicht Benennbare, Fluide auflösen will.

Wenngleich es kein einfaches Rezept dafür gibt, wie lesbische Sichtbarkeit in allen Bereichen der Gesellschaft verbessert werden könnte; in einem Punkt waren sich die Teilnehmerinnen des Abends einig: Die in unserer Gesellschaft entstehenden Bilder lesbischen Lebens sollten weniger Fremderzählungen als Eigenerzählungen sein. Es sollte weniger ÜBER Lesben gesprochen werden, sondern Lesben aller Art und Couleur sollten sich SELBST äußern und darstellen können, von sich erzählen und sich in all ihrer Unterschiedlichkeit zeigen dürfen.

Weitere Informationen zum Buch und zur Herausgeberin.
Foto mit Wirtschaftsweiber-Vorständin Steffi Grimm und Autorin Stephanie Kuhnen in Berlin am 25.04.2019 Foto mit Wirtschaftsweiber-Vorständin Steffi Grimm, Autorin Stephanie Kuhnen und Publikum in Berlin am 25.04.2019

Lesung/Talk mit Wirtschaftsweiber-Vorständin Steffi Grimm (li.) und Autorin Stephanie Kuhnen (re.) am 25.04.2019.
Fotos: Wirtschaftsweiber e.V.